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Freitag, 5. April 2013


SECHS.

Outing. Oder Kopfüber in die Selbstoffenbarung.


Das hat gesessen. Darauf jetzt normalerweise einen Schnaps. Aber der verträgt sich nicht mit den Tabletten. Und nicht mit dem gereizten Magen. Also keinen Schaps. Muss ohne gehen.
Gerade ist es passiert. Einfach so, ohne Vorbereitung.
Aber Jettes Maxime ist Ehrlichkeit. So weit, wie man die eben praktizieren kann. Alles andere liegt ihr nicht, alles andere will sie auch gar nicht.
Jetzt ist es also raus. An die erste fremde, nicht nahestehende Person.
Das Outing, nein, ich bin nicht gesund. Das Outing, ich habe Depressionen.
Alles begann so unverfänglich. Beim Versicherungsmann. Und auf einmal war von einer Erwerbsminderungsversicherung die Rede. Von einer Absicherung - "Falls man Burnout bekommt oder nervliche Probleme. Oder was man heute so kriegt, womit aber keiner rechnet." Von "Aber Sie sind ja sicherlich gesund."
Da musste Jette schon schlucken. Dieses ewige Schweigen. Wenn man doch in die Menschen hineinsehen könnte...
Und dann, dann kam die Stunde der Wahrheit. Denn erstens kann Jette ihre Versicherung nicht anlügen (sie hätten es eh bei Erkundigungen bei Arzt oder Krankenkasse herausbekommen) und zweitens ist es doch auch das, was sie die ganze Zeit wollte. Die Tabuisierung beenden. Für Aufklärung kämpfen. Für Verständnis. Zu sich mit der Krankheit stehen. Das Thema ins Bewusstsein anderer rücken.
Sie hatte keine Wahl.
Nach "Aber Sie sich ja sicherlich gesund" entgegnete sie also "Und was wenn nicht?----"
"Was haben Sie denn?"
"Depressionen" ------------------
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Der arme Mann tat ihr richtig leid. Damit hatte er nicht gerechnet.
"Das sieht man Ihnen aber nicht an."
"Nein, ich bin ja auch wieder halbwegs auf dem Damm. Seit Februar geht es ganz gut. Letztes Jahr hat man mir es wohl angesehen."
Nachdem der gute Herr den ersten Schock überwunden hat, reagiert er aber eigentlich ziemlich professionell. Fragt, wie das denn kam. Erzählt von einer anderen Betroffenen. Zeigt Mitgefühl, aber kein Mitleid. Aber schockiert ist er doch.
Ob die Versicherung Jette so nimmt?
Fraglich.
Das ist halt das Tribut von Brutus. So einfach ist das eben alles nicht mehr mit ihm.
Und nur, weil man jung ist, ist man lange noch nicht gesund.
Und man kann eben in niemanden hineinsehen.
In niemanden.

Ob jetzt wohl eine Lawine der Rederei losgetreten wurde? Hat der Mensch nicht eigentlich auch eine Schweigepflicht? Aber man weiß ja, wie das so läuft. Gerade auf dem Dorf. Vielleicht reden bald alle. Vielleicht auch nicht. Aber wenn, dann soll es halt so sein. Dann war es an der Zeit, dass es mal rauskommt. Dass das gemeine gelangweilte Volk mal wieder was zum Tratschen hat. Jette ist hoffentlich an einem Punkt, wo sie damit umgehen könnte. Oder falls sie jemand drauf ansprechen sollte (was sich natürlich niemand traut!), vielleicht angemessen reagieren würde...
Immerhin, als Jette geht, sagt der Mensch "Na, da konnten wir Sie doch schon mal ein bisschen aufmuntern, wenn das jetzt geregelt ist."
Und tätschelt ihr im Gehen den Arm.

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